Das Phänomen Festzeltschlager

Showdown im Festzelt: Am Samstag kamen in Lohne die Größen der deutschen Partyschlager-Szene zusammen. Gelegenheit für einen Blick hinter die Kulissen dieser musikalischen Parallelwelt fernab von Charts und Rundfunk.

Bumm, bumm, bumm, bumm. Das Schlagerherz schlägt im Viervierteltakt. Immer wieder der gleiche, einprägsame Beat. Was wechselt, sind die Texte, die Sänger und damit das Image. Die Interpreten heißen Tim Toupet, Axel Fischer, Olaf Henning, Mickie Krause oder Michael Wendler. Und sie liefern den Soundtrack für jedes Schützenfest, für jede Karnevalssitzung, für jedes Erntedankfest landauf, landab. Am Samstag kommen sie nach Lohne, die Größen dieser musikalischen Parallelwelt, die sich fernab von Charts und Rundfunk in den stickigen Festzelten und Diskotheken der Republik abspielt.

Der derzeit erfolgreichste Vertreter dieser Musikrichtung heißt Michael Wendler. Eigentlich ist der 38-Jährige Speditionskaufmann aus Dinslaken und heißt Michael Skowronek. Doch nach seinem Durchbruch in den Diskotheken auf Mallorca brauchte es einen einprägsamen Namen. Der Wendler war geboren. “Sie liebt den DJ” wurde sein erfolgreichster Titel. Obwohl er es nur bis auf Platz 27 in den deutschen Charts schaffte, erhielt Wendler für 150 000 verkaufte Tonträger die goldene Schallplatte.

Michael Wendler möchte sich und seine Zunft als Künstler verstanden wissen. “Wir sind Entertainer und keine Clowns”, sagt der Wendler, der von sich gerne in der dritten Person spricht. Außerdem mache sich der Wendler für den Nachwuchs stark.

Sein Gegenpart, eben jener Clown, ist Mickie Krause. Der steht seit 1999 mit Hits wie “Zehn nackte Friseusen”, “Geh doch zuhause, du alte Scheiße” oder “Finger im Po – Mexiko” auf der Bühne. Und das ähnlich erfolgreich wie der Wendler.

Vor einigen Monaten gerieten Wendler und Krause bei einer Schlagerparty in Oberhausen aneinander. Krause machte Sprüche über den Entertainer Wendler. Dessen Management rächte sich, indem es Mickie Krause mitten im Auftritt den Strom abdrehte. Mittlerweile hätten sie den Streit beigelegt, versichert Michael Wendler. Grün sind sich beide Schlagerbarden dennoch nicht.

In Lohne kommt es zum Showdown. Eigentlich soll der Wendler vor Mickie Krause auf der Bühne stehen. Doch weil sich sein Kollege verspätet, muss Krause zuerst raus. 35 Minuten Stimmung. Alle Hits sind dabei, aber keine fiesen Sprüche über den Wendler. Stattdessen eine andere Anweisung: “Wenn euch mein Auftritt gefällt: www.mickiekrause.de. Wenn er euch nicht gefällt: www.juergendrews.de.” Ganz ohne Spott und Häme geht es eben doch nicht.

Und während Mickie Krause die Bühne nach links verlässt. Macht sich im Backstage-Bereich rechts der Wendler für seinen Auftritt bereit. Gestärkt mit Bratwurst und Pommes, eingehüllt in ein frisches, weißes Hemd und in eine saubere Jeans geht es um kurz vor 2 Uhr raus.

Vor der Bühne stehen sie schon: rund 500 Fans. Meist Frauen über 40 mit praktischen Kurzhaarfrisuren. Auch viele junge Leute sind da. Knapp über 20, gut gelaunt dank Bier und Spirituosen. Nicht hysterisch, aber mit Handy in der Hand – für die Erinnerungsbilder. Weiter hinten tanzen Paare Discofox. Immer eins, zwei, Tipp. Der Schlagerbeat macht es ihnen leicht.

Viele im Publikum an diesem Samstag haben eine weite Reise hinter sich. Aus Ibbenbüren oder Oldenburg fahren sie ihren Idolen hinterher. Verpassen sie ein Konzert, nicht schlimm: Rund 250 Mal im Jahr, in Spitzenzeiten bis zu acht Mal in der Woche stehen Wendler und Co. auf Festzelt- und Diskothekenbühnen. Oder eben in der Urlaubszeit am Ballermann.

Die Reportage wurde veröffentlicht in der Oldenburgischen Volkszeitung vom 25.10.2010

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